Österreichische Fleischrinderzüchter auf Besichtigungstour

Die zweite Fleischrinder Austria Fachreise führte 29 Teilnehmer an fünf Tagen über Bayern nach Luxemburg und Belgien. Acht Betriebe wurden in den drei Ländern besucht, ein Vormittag stand im Zeichen der (Agrar)-Politik. Auch die Kultur und Kulinarisches kamen nicht zu kurz.

Österreichische Genetik überzeugt in Bayern

Rudolf Koas und Martina Kleinschroth-Koas bewirtschaften 25 ha Grünland und Acker (Getreide für den Eigenbedarf zur Fütterung) im Nebenerwerb. Marianne ist in der Landwirtschafskammer tätig, Rudolf in einer Molkerei. Beide widmen sich leidenschaftlich der Zucht der intensiven Fleischrinderrasse Charolais.

Die Zuchtherde umfasst 15 Kühe, 2 Deckstiere und die Nachzucht. Zuchttiere werden ab Hof sowie über die Versteigerung in Ansbach vermarktet. Daneben wird Direktvermarktung (Fleischpakete) betrieben. Da die Nachfrage nach hornlosen Stieren stetig zunimmt, hat auch Familie Koas den Weg der Hornloszucht eingeschlagen – Wert wird hierbei aber darauf gelegt, den „Charolais-Typ“ nicht aus den Augen zu verlieren. Daher werden über die Besamung nach wie vor behörnte Stiere eingesetzt. Als Deckstiere sind derzeit ein reinerbig hornloser Stier aus der Zucht von Boi. Bereits 2013 wurde der mischerbig hornlose Moses aus der Zucht von Gerhard Pucher, Ettendorf, angekauft. Der Stier geht auf den von Gerhard Pucher selbst gezogenenen Clement zurück, die Hornlosigkeit kam über die Mutter und geht auf einen Stier von Familie Lehner, Oberösterreich, zurück.

Warum nicht mal Aubrac?

Familie Jans aus Flaxweiler züchtet seit 2010 die französische Robustrasse Aubrac. Auf 50 ha halten sie 28 Zuchtkühe mit der Nachzucht, der Betrieb wird im Nebenerwerb geführt. Aubrac werden seit 2003 in Luxemburg gezüchtet. Ursprünglich wollte Corneille Jans die Mutterkuhhaltung mit einer anderen Fleischrinderrasse beginnen – durch einen Nachbarn wurde aber das Interesse an den Aubracs geweckt. Besonders die unproblematischen Abkalbungen und die guten Muttereigenschaften der Kühe hob er hervor. Dies ist auch der Grund, weshalb Aubrac in ihrem Ursprungsland Frankreich gerne als Mutterrasse in der Gebrauchskreuzung verwendet werden.

Limousin-Tradtionsbetrieb

Robert Duhr war unter den ersten, die in den 70ern Limousin nach Luxemburg holten. Auch in Österreich ist der Name unter Limousin-Kennern allseits bekannt. Derzeit werden rund 90 Herdebuchkühe am Betrieb gehalten, die Hauptabkalbezeit ist von September bis November. Die Kalbinnen werden mit 18-20 Monaten zum ersten Mal besamt. Auch bei der Rasse Limousin spielt die Zucht auf Hornlosigkeit eine immer größere Rolle – sowohl im Natursprung als auch in der Besamung wird auf hornlose Stiere gesetzt. Robert Duhr betonte, dass die Zucht auf Hornlosigkeit nicht zulasten anderer Eigenschaften gehen darf. Die Mutterkühe sind in einem neuen Stall außerhalb des Ortes untergebracht. Zusätzlich zu den Limousins werden am Heimbetrieb Milchkühe gehalten, die seit einigen Jahren mit einem Melkroboter gemolken werden. Die Kombination von Milch- und Mutterkühen ist in Luxemburg häufig anzutreffen.

Cactus – Rëndfleesch vum Lëtzebuerger Bauer

Seit 1995 gibt es in Luxemburg das Markenfleisch Programm „Cactus“ von der gleichnamigen Supermarktkette. 2016 wurden über 4.600 Schlachtkörper über das Label vermarktet (96 % männliche Tiere, 4 % Kalbinnen). Das durchschnittliche Schlachtkörpergewicht bei den Stieren lag bei 439 kg (es gibt eine Obergrenze von 478 kg, schwerere Schlachtkörper werden nicht übernommen). Cactus-Betriebe müssen Vorschriften hinsichtlich Herkunft der Tiere, Einsatz von eingetragenen Deckbullen, Futtermittel (Proben vom Grundfutter und Zukauf anhand einer positiven Futtermittelliste), artgerechte Haltung und nachhaltiger Bewirtschaftung einhalten. Alle Betriebe werden mindestens einmal jährlich kontrolliert und Beratung. Ein externes Unternehmen führt ein Audit des Labels durch, wo alle Schritte der Produktion begutachtet werden.  158 Betriebe nahmen 2016 am Programm teil.

Einer davon ist der Betrieb Lamborelle in Dickweiler. Er hat rund 300 Stück Tiere. Einen kleinen Teil der Einsteller zieht er mit 30 Mutterkühen selbst auf, die meisten werden von   ebenfalls von Cactus-zertifizierten Betrieben zugekauft. Bei der Haltung wurde von Vollspalten auf Stroh umgestellt. Dadurch wurden nicht nur die Tageszunahmen besser, es sind jetzt auch weniger Ausfälle zu verzeichnen. In regelmäßigen Abständen werden Partien von mehreren Tieren verkauft. Vor der Schlachtung werden die Stiere in Einzelboxen untergebracht. Ein Mitarbeiter der CONVIS kontrolliert die Tiere unter anderem auf Ohrmarke, Cactus-Qualitätspass, Bemuskelung, Alter und Verfettung. Gekauft werden die Stiere ebenfalls in den Einzelboxen. Der Fleischer kauft jeden Stier einzeln, auch der Preis (Fleischpreis pro kg Schlachtgewicht) wird bereits dort festgesetzt. Der Preis liegt im Schnitt bei 4,10 €/kg SG.

Angus aus dem Mullerthal

Seit 60 Jahren werden am Grundhof im Mullerthal von Familie de  Schorlemer Angus gezüchtet. Auf 200 Hektar werden derzeit rund 80 Kühe mit Nachzucht gehalten. Die Flächen dienen als Naturschutz-Kompensationsflächen, außerdem wird über das Label „Naturschutz Fleesch“ vermarktet. 15 Betriebe in Luxemburg nehmen an diesem Naturschutzprogramm teil. Pro Hektar werden 450 Euro bezahlt, dafür sind eine Reihe von Auflagen einzuhalten. Unter anderem darf erst ab 15. Juli gemäht werden, der Höchstbesatz liegt bei 0,8 GVE/ha und es darf nur von 1. Dezember bis 1. April Grundfutter zugefüttert werden, Kraftfutter ist nur zu Lockzwecken erlaubt. Pro kg Schlachtgewicht werden 6 Euro bezahlt.

Nachfrage macht Züchter

Familie Bonert in Eppeldorf ist bereits lange von der Rasse Charolais überzeugt. Bisher hielten sie reinrassige Kühe zur Produktion und kauften Deckbullen mit Pedigree zu. Der Bestand beträgt rund 160 Tiere, davon 60 Mutterkühe, auch dieser Betrieb beliefert das Cactus-Programm. Das Schlachalter der Stiere liegt bei 17 Monaten, die täglichen Zunahmen liegen bei durchschnittlich 1300 Gramm. Die Kalbinnen, die für die Bestandsergänzung genutzt werden, wurden immer besamt. Aufgrund der Nachfrage nach Deckstieren entschied sich der Betriebsleiter, in die Zucht einzusteigen. Der Start mit den eigenen Tieren würde zu lange dauern – diese müssten ins Vorbuch eingetragen werden, Stiere können, wie überall in der EU, erst ins Herderbuch eingetragen werden, wenn die Eltern und Großeltern im Hauptbuch sind. Daher wurden zwei Zuchtkalbinnen aus Frankreich angekauft, weitere Zuchttiere werden folgen.

Der Tag klang beim gemeinsamen Abend mit Luxemburger Züchterkollegen aus. Wir bedanken uns herzlich bei Gery Ernst und Frank Recken von der Convis und allen Betrieben, die uns ihre Stalltüren öffneten und einen Einblick in die Luxemburger Fleischrinderzucht ermöglichten.

Im Herzen von Europa

Nach einer Besichtigung der Stadt Luxemburg ging es weiter nach Brüssel – ins Herzen Europas. Auch hier wurde zuerst die Stadt erkundet, bevor es am Tag darauf zu verschiedenen Vertretungen Österreichs in der EU ging.

Die ständige Vertretung Österreichs bei der EU und die COPA-COGECA

Andreas Thurner von der LKÖ und Gerfried Gruber von der ständigen Vertretung empfingen die Gruppe. Sie stellten in ihren Vorträgen die Aufgaben der ständigen Vertretung vor. Auch die Interessensvertretungen sind Teil der ständigen Vertretung, darunter auch die LKÖ. Außerdem ist die LKÖ auch Teil der COPA-COGECA – ein Zusammenschluss von rund 60 Bauernverbänden und 30 Genossenschaften.

In ihren Vorträgen erklärten sie in Grundzügen die Entscheidungsfindungen in der EU, die vielseitigen Aufgaben der ständigen Vertretung und berichteten über aktuelle Themen – allen voran die anstehenden Verhandlungen um das Agrar-Budget und mögliche Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der EU.

Georg Häusler, Direktor für Ressourcen der Generaldirektion Landwirtschaft  bei der Europäischen Kommission ging noch näher auf den Finanzrahmen der europäischen Kommission und das Agrarbudget ein. Er erläuterte welche Themen Einfluss auf das Agrarbudget haben könnten und welchen Einfluss die Globalisierung auf die Landwirtschaft hat.

Valentin Opfermann stammt von einem burgenländischen Biobetrieb und ist derzeit in der COPA-COGECA als Referent für Umweltfragen, Nachhaltigkeit und Forschung tätig. Er beschrieb die Aufgaben der COPA-COGECA, die in 45 Arbeitsgruppen gegliedert ist. Er betonte, dass es nicht wichtig ist, bei  der Kommission und den EU-Parlamentariern die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten, sondern auch mit diversen NGOs im ständigen Dialog zu stehen. Jungen Leuten, die noch in der Ausbildung sind, empfahl er, sich über die Möglichkeiten von Praktika bei diversen EU-Institutionen zu informieren.

Camelia Gyorffy aus Rumänien ist Referentin für Milch, Rindfleisch und Schafe. Sie bot einen Überblick über aktuelle Themen, die den Rindfleischsektor betreffen. Besonders ging sie auf die gekoppelten Maßnahmen ein. 4,1 Milliarden werden an gekoppelten Maßnahmen ausbezahlt – davon gehen 40 % in den Rindfleischsektor – unter anderem über Prämien für Mutterkühe, Fleischrinder und Mastrinder.

Herzlichen Dank an Andreas Thurner für die Organisation des Besuches und bei allen Referenten für die sehr interessanten Vorträge.

Im Land der Weiß-Blauen Belgier

Wenn Fleischrinderzüchter in Belgien auf einer Exkursion sind, ist ein Besuch bei Weiß-Blauen Belgiern Pflicht. Immerhin ist die Wallonie, also der französisch-sprachige Teil Belgiens die Ursprungsregion der Rasse – derzeit gibt es dort rund 500.000 Tiere der Rasse. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden rot und schwarz gescheckte Tiere in der Region mit Shorthorn gekreuzt um einen Doppelnutzungstyp zu schaffen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Fokus auf Fleisch gelegt, die Rasse wurde in einen Fleisch- und einen Doppelnutzungstyp geteilt. Beim Fleischtyp wurde gezielt auf sogenannte „Doppellender“ gezüchtet. Durch eine Mutation am Myostatin-Gen kommt es zu einer Muskelhypertrophie. Die Rasse wird vor allem in der Gebrauchskreuzung eingesetzt. Die Vereinigung der Rinderzüchter der Wallonie hat gemeinsam mit der Belgian Blue Group drei Zentren für Besamungsstiere. Eines davon wurde von der Gruppe besucht. Jeder der Stiere ist in einer Einzelbox untergebracht und hat einen eigenen Auslauf auf die Wiese. Besucher können durch einen Glastrakt durchgehen und jeden einzelnen Stier begutachten. Im Schnitt sind sie 4 Jahre in der Station.

Im Anschluss wurde noch der Zuchtbetrieb von Familie Lequeux besucht. Er hält auf seinem Betrieb 500 Weiß-Blaue Belgier Rinder. Pro Jahr sind 200 Geburten, alle Kälber kommen per Kaiserschnitt auf die Welt. Neben dem Verkauf von Zuchttieren ist auch die Vermarktung von Schlachttieren lukrativ – die Ausschlachtung der Kühe liegt bei 67 %, bei den Stieren ist sie bei 75 %.

Vielen Dank an Valerie Praet von der BBG für die Vorstellung der Station in Ciney und bei Familie Lequeux für die Betriebsvorstellung.

Fleisch aus Milch

Als Abschluss der Fachreise wurde am Rückweg nochmals ein Betrieb in Bayern besucht. Familie Bleisteiner  züchtet seit 2000 genetisch hornloses Fleckvieh-Fleisch. Der 80 ha große Betrieb wird im Nebenerwerb geführt, alle Kühe und Kalbinnen werden ausschließlich künstlich besamt. Neben Fleckvieh-Fleisch Stieren kommen auch hornlose und gehörnte Stiere aus der Doppelnutzung zum Einsatz – so stehen unter anderem Nachkommen von Barbarossa am Betrieb. Die Vermarktung der Zuchttiere erfolgt ab Hof, nicht zur Zucht geeignete Stiere werden am Betrieb ausgemästet. Familie Bleisteiner hat unter anderem den Besamungsstier Booroola Pp (Barbarossa x Hoeness) gezüchtet.

Wir bedanken uns bei allen Betrieben für die Betriebsvorstellungen und bei allen Kolleginnen und Kollegen für die Mithilfe bei der Organisation. Auch die zweite Fachreise von Fleischrinder Austria war wieder sehr informativ und hat die Facetten der Mutterkuhhaltung in Europa widergespiegelt. Ein Blick über den Tellerrand hinaus ist für Mutterkuhhalter und Fleischrinderzüchter immer wieder wertvoll um auch die heimische Fleischrinderzucht weiter voran zu treiben.