Tierwohlstudie Berggebiet unter Aspekten Tierwohl und Haltungsform

Sandro Gstrein beim Start der
Tierwohlstudie mit LK-Präsident Josef Hechenberger (rechts)
und dem Obmann der Rinderzucht Tirol, Kaspar Ehhammer (links)

Im Rahmen seiner Masterarbeit wählte der Ötztaler Sandro Gstrein das Thema „Die Perspektiven der Kuhhaltung im Berggebiet in Tirol unter den Aspekten Tierwohl und Haltungsform“. Gstrein studierte Agrarmanagement an der Technischen Universiät München und an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Die Masterarbeit wurde von seinen wissenschaftlichen Betreuerinnen Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler und Paula Heine MSc begleitet. Für Fragen der statistischen Auswertungen war Dr. Carola Sauter-Louis tätig. Für die Projektbetreuung vorort war Dipl.-HLFR-Ing. Dipl.-Päd. Christian Moser zuständig. Im Dezember schloss Gstrein die Ausbildung zum Master of Science (MSc) erfolgreich ab. Zu Hause bewirtschaftet seine Familie auf 1.500 Meter Seehöhe in Sölden einen Zuchtbetrieb mit 10 Rindern und drei Hektar Grünland, wobei ein Hektar als Bergmahd bewirtschaftet wird.

Rekordverdächtige Teilnahme 33,5 %

Die Landwirtschaftskammer Tirol und die Rinderzucht Tirol unterstützten Gstrein bei seiner Masterarbeit zu diesem wichtigen und existenziellen Thema des Berggebietes. Das Jahr 2019 stand zudem unter dem Motto „Tierwohl – wir schauen drauf“. Die Tierwohl-Studie war neben vielen weiteren Aktivitäten ein Teil zu diesem Jahresthema.

An 5.338 Kuhhalter in Tirol wurde der Frageboden versendet. Mit einer Rücklaufquote von 33,5 % wurden die kühnsten Erwartungen bei weitem übertroffen. Damit konnte auch repräsentatives Datenmaterial mit hoher Aussagekraft gesammelt werden. Allein diese rekordverdächtige Rücklaufquote bestätigt das große Interesse der Bauern für diese Thematik. Die vielen Rückmeldungen zeigen auch, dass diese Thematik für viele Betriebe eine Zukunftsfrage darstellt, wo die Antwort auch eine große gesellschaftliche Dimension mit sich trägt. Mit diesem großen Datenschatz war es möglich, erstmalig umfassende Daten zur Rinderhaltung in Tirol zu sammeln. Dadurch ist eine Darstellung der Tiroler Rinderhaltung unter Berücksichtigung von zukünftigen Entwicklungen der Landwirtschaft im Berggebiet möglich. Ein großes Augenmerk wurde besonders im Bereich der Thematik zur Halteform (Kombinationshaltung, Laufstall, Alpung,…) gelegt. Vor allem für das Berggebiet mit der Alpung hat die Kombinationshaltung eine immens große Bedeutung. Rückmeldungen aus Österreich, Deutschland, Schweiz und Südtirol zeigen mittlerweile auch das große internationale Interesse an den Ergebnissen dieser Studie.

76,5 % der Betriebe mit Kombinationshaltung

Im Dezember schloss Sandro Gstrein sein Studium erfolgreich ab – im Bild mit Prof. DDr. Eva Zeiler und Projektbetreuer Christian Moser

Auffallend ist, dass laut Studie nur noch 1 % der Betriebe die Kühe in permanenter Anbindehaltung halten. Drei von vier Betriebe (= 76,5 %) halten ihre Kühe in der Kombinationshaltung. 22,5 % der Betriebe halten ihre Kühe im Laufstall. Eine deutliche Verschiebung ergibt sich bei den gehaltenen Kühen mit 1 % in permanenter Anbinde-, 62 % in Kombinations- und 37 % in Laufstallhaltung. Durchschnittlich halten die 17 in der Studie erfassten Betriebe mit permanenter Anbindehaltung 13,6 Kühe. Bei den 1.298 Betrieben in Kombinationshaltung stehen durchschnittlich 9,9 Kühe und bei den 383 Laufstallbetrieben 19,7 Kühe.

Wichtigstes Tierwohlkriterium Mensch-Tier-Beziehung

In allen drei Haltesystemen war die Mensch-Tier-Beziehung das wichtige Tierwohl-Kriterium. In der Kombinationshaltung ist neben der Mensch-Tier-Beziehung (12,8 %) auch die Alpung (13,4 %) von großer Wichtigkeit. Im Laufstall gab es keine klare Gewichtung der Aspekte. Hier stehen ohne große Differenz die Mensch-Tierbeziehung (10,7 %), Stallklima (9,6 %), Tiergesundheit (8,7 %), ausreichend Platz (8,4 %), Wasserversorgung (8,0 %) und Alpung (7,8 %) im Vordergrund.

Sehr gute bis gute Akzeptanz und Zufriedenheit

Die grundsätzliche Akzeptanz der Bevölkerung wurde in sehr hohem Maße von den Bauern als sehr gut bis gut eingestuft. Gleich verhält es sich mit der Zufriedenheit der Bauern über das eigene Haltesystem, welches ebenfalls mit großer Mehrheit sehr gut bis gut beurteilt wurde. Fast alle Laufstallbetriebe (98 %) sind mit ihrem Haltesystem sehr zufrieden bis zufrieden. In der Kombinationshaltung sind dies 85 % der Betriebe. Ein interessantes Ergebnis der Studie war auch, dass Bauern bei einer Umstellung von der Kombinationshaltung auf Laufstall größere Akzeptanzprobleme befürchten. Jene, die derzeit schon einen Laufstall haben, sehen jedoch keine Akzeptanzprobleme.

Zukunftsperspektive Kombinationshaltung

Eine für alle Beteiligten wichtige Frage war die Zukunftsperspektive der Kombinations-haltung. Aus aktueller Sicht würden in 15 Jahren noch 90 % der Betriebe bestehen. Würde die Kombinationshaltung verboten bzw. in 15 Jahren nicht mehr möglich sein, so werden laut Studie fast 85 % der Betriebe mit Kombinationshaltung die Kuhhaltung bzw. den Betrieb aufgeben. Unter Berücksichtigung des Studienergebnisses, dass 70 % der gealpten Kühe aus der Kombinationshaltung stammen, würde dies für die Almbewirtschaftung sehr große Veränderungen mit sich bringen. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Kombinationshaltung für das Berggebiet mit den Almen unverzichtbar ist. Bei der Frage der Weiterführung der Betriebe konnte bei der Kuhzahl kein Unterschied festgestellt werden. Betriebe mit bäuerlicher Vermietung betreiben ihren Betrieb eher weiter.

Gründe für die Kombinationshaltung

Diese Frage wurde von den Bauern mit folgenden Hauptgründen beantwortet: finanzielle Aspekte (24 %), Betriebsgröße (23,5 %) und Mensch-Tier-Beziehung (21,4 %). Die Mensch-Tier-Beziehung (27,5 %) ist aus Sicht der Bauern auch der größte Vorteil der Kombinationshaltung. Weitere Vorteile sind der abbezahlte Stall (17,9 %) und die bessere Tierbeobachtung (17,4 %). Für knapp 90 % der Betriebe würde ein Um- bzw. Neubau des Stalls die finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Erst ab einem durchschnittlichen Zuschuss von 53,2 % der Bausumme könnten Bauern einen Umbau- bzw. Neubau finanzieren.

Zahlen & Fakten „Tierwohl-Studie Berggebiet“:

  • Autor Sandro Gstrein MSc aus Sölden im Ötztal
  • 5.338 Fragebögen versendet – 1.791 Fragebögen retourniert
  • überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote mit 33,5 %
  • Wichtigste Tierwohlkriterien für Bauern Mensch-Tier-Beziehung und Alpung
  • 67,6 % der Kühe gealpt – 70 % der gealpten Kühe aus Kombinationshaltung
  • sehr gute bis gute Zufriedenheit der Bauern bei den Haltungssystemen
  • sehr gute bis gute Akzeptanz bei den Nachbarn
  • In 15 Jahren halten 90,5 % der Betriebe Kühe.
  • Ein Verbot bzw. Ende der Kombinationshaltung hätte großen Einfluss auf die Perspektiven der Kuhhaltung in Tirol – 85 % würden Kuhhaltung bzw. Betrieb auflassen. Bei Mitberücksichtigung der Laufstallbetriebe würden somit nur mehr in 15 Jahren ein Drittel der Betriebe übrig bleiben.

Text und Fotos: Christian Moser